DBSV   .   Rungestraße 19   .   10179 Berlin

 

An die

Landesvereine/-verbände im DBSV,

die korporativen Mitglieder

und die Mitglieder des DBSV-Präsidiums

 

Nachrichtlich an

die Referenten des DBSV

 

 

                                                                        Durchwahl: -180            Berlin, 3.5.2012

                                                                                                                  Az.: 142-1.2

 

Mitteilung der Rechtsabteilung Nr. 4/2012

 

Künftige Rundfunkbeiträge

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

am 1.1.2013 tritt an die Stelle des bisherigen Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RGebStV) der neue Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RFBeitStV). Dann werden die bisherigen "Rundfunkgebühren" durch "Rundfunkbeiträge" abgelöst. Dies ist mit einer ganzen Reihe von Neuerungen, insbesondere für Behinderte und auch für deren Vereine verbunden. In diesem Rundschreiben will ich die wichtigsten Regelungen im Einzelnen vorstellen.

 

Gliederung:

1.       Gegenstand des neuen Staatsvertrages

2.       "Beiträge" statt "Gebühren"

3.       Der Begriff des "Inhabers"

4.       Der Begriff der "Wohnung"

5.       Beitragsbefreiungen und -ermäßigungen

6.       Beitragsbefreiungen und -ermäßigungen beim Zusammenleben mehrerer Personen

7.       Taubblinde

8.       Blindenhilfeempfänger und Empfänger von Landespflegegeld

9.       Empfänger von Arbeitslosengeld II und anderer Leistungen zum Lebensunterhalt;   Härtefallregelung

10.    Der nicht private Bereich; Vereine

 

Vorab: Wegen der Neuigkeit der Regelungen und der damit verbundenen Unsicherheiten heißt es für alle nachfolgenden Ausführungen: Keine Gewähr!

 

 

 

1. Gegenstand des neuen Staatsvertrages:

 

Der alte Staatsvertrag regelte, wer zur Zahlung einer Rundfunkgebühr verpflichtet ist. Der neue Staatsvertrag wird regeln, wer zur Zahlung eines Rundfunkbeitrags entweder in voller Höhe oder zu einem Drittel verpflichtet ist. Die genaue Höhe des Beitrags ist in einem anderen Staatsvertrag geregelt, und zwar in § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages. Die dort bisher vorgenommene Trennung zwischen Grundgebühr (für den Hörfunk) und Fernsehgebühr (zusätzlich für den Fernsehempfang) wird zum 1.1.2013 aufgehoben und ersetzt durch einen einheitlichen Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,98 Euro monatlich. 

Deutlicher als im alten Gebührenstaatsvertrag wird im neuen Beitragsstaatsvertrag zwischen dem "privaten" und dem "nicht privaten Bereich" unterschieden. Im privaten Bereich werden künftig die Inhaber von Wohnungen beitragsverpflichtet sein, und im nicht privaten Bereich - und dazu gehören laut Staatsvertrag auch die von einem Verein genutzten Räume - werden es die Inhaber von "Betriebsstätten" und von betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen sein. Ebenfalls noch deutlicher als zuvor sind jetzt die Minderjährigen von allen Regelungen ausgeklammert. Im Prinzip also spielen sie weder für die Feststellung der Beitragspflicht noch für die Beitragsbefreiung oder -ermäßigung eine Rolle (zu einem Sonderfall siehe unter 6.).

 

In den nachfolgenden Ausführungen werde ich mich zunächst auf den privaten Bereich beschränken; erst am Ende (unter 10.) gehe ich auf den nicht privaten Bereich ein. 

 

2. "Beiträge" statt "Gebühren":

 

Beides sind Abgaben, die als Gegenleistung für eine besondere öffentliche Leistung erhoben werden. Der Unterschied besteht darin, dass "Beiträge" für Leistungen erhoben werden, die nicht einzelnen Personen, sondern Personengruppen zugute kommen, wobei es auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung nicht ankommt. Konkret heißt dies: Der öffentlich- rechtliche Rundfunk ist eine Leistung, die nun nicht mehr unter dem Blickwinkel betrachtet wird, dass sie Einzelpersonen zugute kommt, die ein funktionsfähiges Empfangsgerät bereithalten, sondern unter dem Blickwinkel, dass in jeder privaten Wohnung der öffentlich-rechtliche Rundfunk empfangen werden könnte. Aufgrund dessen ist dann grundsätzlich jeder  volljährigen "Inhaber" einer "Wohnung" beitragspflichtig. Zu den Begriffen "Inhaber" und "Wohnung" gleich mehr

Auswirkungen: Die GEZ, die im Auftrag der Landesrundfunkanstalten die Gelder eintreibt, wird künftig nicht mehr kontrollieren, wer wo ein funktionsfähiges Empfangsgerät (Radio, Fernseher, Internetzugang) bereithält. Ein weiterer Vorteil der neuen Regelung: Da nur ein Beitrag pro Wohnung erhoben wird, kommt es, sobald dieser Beitrag bezahlt wird, dann nicht mehr auf die Zahl der Bewohner oder auf die Zahl der Geräte an. Konkret heißt das: Der mit im Haushalt lebende Verwandte oder Untermieter, der seinen eigenen Fernseher nutzt und dafür bislang eine eigene Gebühr zahlen musste (sofern er nicht z. B. wegen seiner Behinderung von der Gebühr befreit war), ist dann nicht mehr beitragspflichtig. Genauer: Er ist es dann nicht, wenn für die Wohnung bereits von einem anderen Wohnungsinhaber der Beitrag gezahlt wird. Bleibt dieser aber den Beitrag schuldig, so kann der Verwandte oder Untermieter als haftender Mit-Wohnungsinhaber herangezogen werden. Und dies auch dann, wenn sich in der Wohnung überhaupt kein Empfangsgerät befindet - denn darauf kommt es ja nicht mehr an.

 

3. Der Begriff des "Inhabers":

 

In § 2 Abs. 2 RFBeitStV heißt es: "Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die 1. dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder 2. im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist." Die Beitragspflicht wird also nicht begründet durch das Eigentum an der Wohnung, sondern durch das tatsächliche oder melderechtliche "Innehaben" der Wohnung als Bewohner. Das bedeutet einerseits: Der Eigentümer ist weder für die leerstehende Wohnung, noch für die vermietete beitragspflichtig, da er sie nicht "innehat". Er haftet deshalb auch nicht, wenn der Mieter den Beitrag nicht zahlt. Andererseits hat der "Inhaber", also der die Wohnung bewohnende Eigentümer oder Mieter, den Beitrag auch dann zu entrichten, wenn er die Räume zeitweilig nicht nutzt. Überläßt er die Wohnung einem anderen, wird im Einzelfall im Hinblick auf die Haftung zu prüfen sein, ob er immer noch "Inhaber" der Wohnung ist oder ob ein Wechsel stattgefunden hat, und wenn ja: ab wann.

 

4. Der Begriff der "Wohnung":

 

§ 3 Abs. 1 RFBeitStV lautet: "Wohnung ist unabhängig von der Zahl der darin enthaltenen Räume jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit, die 1. zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird und 2. durch einen eigenen Eingang unmittelbar von einem Treppenhaus, einem Vorraum oder von außen, nicht ausschließlich über eine andere Wohnung betreten werden kann. Nicht ortsfeste Raumeinheiten gelten als Wohnung , wenn sie Wohnungen im Sinne des Melderechts sind. Nicht als Wohnung gelten Bauten nach § 3 des Bundeskleingartengesetzes." Der Mitbewohner mit einem eigenen Schlafzimmer bewohnt also keine eigene "Wohnung". Dasselbe gilt für das (eventuell untervermietete) Studentenzimmer mit Bad, wenn der Betreffende den Zugang nur durch die Wohnung des Vermieters hat.  

 

5. Beitragsbefreiungen und -ermäßigungen:

 

Der bisherige RGebStV zählt in § 6 Abs. 1 in einem Katalog von 11 Nummern jene Personengruppen auf, die von der Rundfunkgebühr befreit sind. Die in Nr.1 bis 6 und 9 bis 11 genannten Gruppen - ich nenne sie mal die A-Gruppen - haben gemeinsam, dass die betreffenden Personen einkommensabhängige staatliche Leistungen erhalten. Mit der Vorlage des entsprechenden Bewilligungsbescheides können sie ihre Berechtigung zur Befreiung von der Rundfunkgebühr nachweisen. Im neuen Beitragsrecht bleibt in diesen Fällen (fast) alles beim alten: Die Abgrenzung der Personengruppen bzw. die Aufzählung der staatlichen Leistungen (jetzt Nr. 1 bis 9 des § 4 Abs. 1 RFBeitStV) wird wörtlich übernommen; zu einigen Abweichungen komme ich noch später.

Für diese A-Gruppen wird die bisherige Gebührenbefreiung als Beitragsbefreiung automatisch weitergelten, das heißt: Gemäß § 14 Abs. 7 RFBeitStV bedarf es für die entsprechenden Altfälle keiner neuen Anträge. In den Neufällen muss die Beitragsbefreiung natürlich erst beantragt werden. Ein Neuantrag ist ferner dann erforderlich, wenn der die Beitragsbefreiung begründende Sozialleistungsbescheid befristet ist und die Frist abläuft.

 

Von den A-Gruppen unterscheiden möchte ich die B-Gruppen. Bei diesen handelt es sich um Gruppen von Behinderten, die die Rundfunkangebote nur begrenzt wahrnehmen können (also Hör- und Sehbehinderte) oder die behinderungsbedingt an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen können. Sie waren bisher von der Gebührenpflicht befreit und konnten dies  - unabhängig von ihrem Einkommen und Vermögen - mit Hilfe des Merkzeichens RF geltend machen. Eine rechtlich verbindliche Beschreibung dieser Gruppen befindet sich in Nr. 7 - dort mit den Untergruppen a) und b) - und in Nr. 8 des § 6 Abs. 1 RGebStV. Diese Beschreibungen hat man nun in Nr. 1, 2 und 3 des § 4 Abs. 2 RFBeitStV wörtlich übernommen. Für diese B-Gruppen, wie ich sie nenne, endet zum 31.12.2012 die Gebührenbefreiung. Die betreffenden Behinderten können dann aber eine Ermäßigung des Beitrags auf ein Drittel beanspruchen, müssen aber einen entsprechenden Antrag stellen. Auf die Besonderheiten der neuen - beitragsbefreiten - Gruppen in Nr. 10 (Taubblinde und Blindenhilfeempfänger) und zu weiteren Besonderheiten komme ich später noch zurück.

 

6. Beitragsbefreiungen und -ermäßigungen beim Zusammenleben mehrerer Personen:  

 

In § 4 Abs. 3 RFBeitStV heißt es: "Die dem Antragsteller gewährte Befreiung oder Ermäßigung erstreckt sich innerhalb der Wohnung 1. auf dessen Ehegatten, 2. auf den eingetragenen Lebenspartner und 3. auf Wohnungsinhaber, die bei der Gewährung einer Sozialleistung nach Absatz 1 als Teil einer Einsatzgemeinschaft im Sinne des § 19 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches berücksichtigt worden sind." Das nun bedeutet konkret folgendes: Ein blinder Mann und seine Ehefrau leben in einer Wohnung und sind beide somit "Wohnungsinhaber". Der Mann kann die Ermäßigung des Beitrags auf ein Drittel geltend machen. Die Ermäßigung gilt dann auch für die Ehefrau, so dass nichts weiter zu zahlen ist als der Drittelbeitrag. Leben die beiden ohne Trauschein zusammen, dann kann die Frau als Wohnungsinhaberin für sich keine Ermäßigung geltend machen, sie muss also den vollen Beitrag zahlen. Kommt sie der Zahlung nicht nach, haftet der Ehemann, dieser jedoch nur zu einem Drittel. Wohnt neben den (verheirateten Eltern) auch noch der erwachsene Sohn mit im Haus, so ist der volle Beitrag fällig; für ihn haftet der Sohn, während der blinde Vater und dessen Ehefrau insgesamt nur für einen Drittelbeitrag haften.

 

Von Bedeutung ist deshalb § 4 Abs. 7 RFBeitStV: Er verlangt nicht nur, dass der Antrag auf Befreiung oder Ermäßigung "vom Beitragsschuldner schriftlich bei der zuständigen Landesrundfunkanstalt zu stellen" ist, sondern auch: "Dabei sind auch die Namen der weiteren volljährigen Bewohner der Wohnung mitzuteilen." Erfolgt diese Mitteilung nicht oder nicht korrekt, so dürfte die GEZ auch weiterhin die Augen offenhalten.

 

Was nun bedeutet die in § 4 Abs. 3 RFBeitStV unter 3. stehende Verweisung auf die "Einsatzgemeinschaft" im Sinne des § 19 SGB XII? Sie bedeutet: Ist die Bewilligung einer Sozialleistung davon abhängig, dass nicht nur der Leistungsempfänger, sondern eine Einsatzgemeinschaft im Sinne des § 19 SGB XII die jeweils geltenden Einkommens- und Vermögensgrenzen nicht überschreitet, so erstreckt sich die Beitragsbefreiung auf die mit in der Wohnung lebenden Mitglieder dieser Einsatzgemeinschaft. Es wird dann kein Beitrag fällig, es sei denn, dass jemand die Wohnung mit bewohnt, der dieser Einsatzgemeinschaft nicht zuzurechnen ist. Dann muss dieser den vollen Beitrag zahlen. Wer aber gehört zur "Einsatzgemeinschaft" im Sinne des § 19 SGB XII, auf den hier (erstmals im neuen Staatsvertrag) verwiesen wird? Es sind die Ehegatten und Lebenspartner (ihretwegen hätte man sich die Verweisung ersparen können) und die Eltern eines ihrem Haushalt angehörenden minderjährigen und unverheirateten Kindes, für das zum Beispiel eine der in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Sozialhilfeleistungen für Behinderte in Anspruch genommen wird. Sinn macht diese Verweisung m. E. nur dann, wenn die Beitragsbefreiung auch den Eltern zugute kommen soll, die mit einem behinderten Kind zusammen wohnen, und wenn sich die Eltern wegen der dem Kind gewährten Sozialhilfeleistung einer Einkommens- und Vermögensprüfung unterziehen mußten. Diese Regelung überrascht, da bisher die Behinderung eines Kindes die Gebührenbefreiung der Eltern grundsätzlich nicht auslösen konnte. Die neue Regelung ist nur so zu erklären, dass hier als Motiv für die Beitragsbefreiung nicht die Behinderung (des Kindes), sondern die wirtschaftliche Bedürftigkeit (der Eltern) im Vordergrund steht.

 

7. Taubblinde:

 

Sofern Taubblinde nicht deshalb beitragsbefreit sind, weil sie eine der einkommensabhängigen Sozialleistungen beziehen, die bei den A-Gruppen genannt werden, werden diese Personen gemäß der neuen Nr. 10 auch schon allein wegen ihrer Taubblindheit vom Beitrag befreit. Sie gehören in diesem Fall zu den B-Gruppen und werden dementsprechend auch noch einen Antrag auf Beitragsbefreiung stellen müssen. Unklar ist, wer als "taubblind" anzusehen ist. Denkbar wäre gewesen, die in § 4 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 RFBeitStV genannten Merkmale für wesentlich sehbehinderte und hörgeschädigte Menschen zu kombinieren. Dies hat man aber nicht getan. Da es einen im deutschen Recht anerkannten Begriff von "Taubblindheit"  bisher nicht gibt, hat der DBSV eine Definition vorgeschlagen, die ähnlich ist den (im Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenkassen unter PG 07.99.04 genannten) Voraussetzungen für die Versorgung mit speziellen Kommunikationsgeräten für Taubblinde. Jedenfalls wäre eine Beschränkung des Personenkreises auf Schwerbehinderte mit den Merkzeichen Bl plus Gl eindeutig zu eng. Nun heißt es in  § 4 Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz RFBeitStV: "Im Falle des Absatzes 1 Nr. 10 1. Alternative (Anmerkung: das sind allein die Taubblinden!) genügt eine ärztliche Bescheinigung." Die Verfasser der Regelung haben also die Unbestimmtheit des Begriffs "Taubblindheit" durchaus schon erkannt und in Rechnung gezogen. Ihre Lösung ist die, dass sie darauf vertrauen, dass die Ärzte, die eine Bescheinigung über das Vorliegen von "Taubblindheit" ausstellen, schon die richtige Entscheidung treffen werden. Es bietet sich dann natürlich an, dass die Ärzte nicht strenger verfahren, als würden sie ein Taubblindenhilfsmittel verordnen. Der DBSV plant jetzt, den betroffenen Personen Material an die Hand zu geben, mit dem sie ihre behandelnden Ärzte informieren können.

 

8. Blindenhilfeempfänger und Empfänger von Landespflegegeld:

 

In § 4 Abs. 1 Nr. 10 RFBeitStV werden neben den Taubblinden auch die Empfänger von Blindenhilfe nach § 72 SGB XII genannt. Während die Taubblinden den von mir so genannten B-Gruppen angehören, gehören die Blindenhilfeempfänger zu den A-Gruppen, denn sie erhalten eine einkommens- und vermögensabhängige Leistung und belegen ihr Recht auf Beitragsbefreiung mit dem Leistungsbescheid. Da die Regelung neu ist, müssen sie die Beitragsbefreiung auch erst beantragen.

 

Die Regelung wurde eingeführt auf Vorschlag des DBSV (Stellungnahme vom 5.10.2012). Da für die Blindenhilfe dieselben speziellen Einkommens- und Vermögensgrenzen gelten wie beim Pflegegeld nach § 64 Abs. 3 SGB XII (siehe vor allem § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII !), so ist es nur recht und billig, die Empfänger dieser Leistungen auch bei der Befreiung von den Rundfunkbeiträgen gleichzustellen. Eine Gleichstellung erfolgt dann auch insoweit, als die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII zu den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Sozialleistungen gehört. Somit können also auch die Eltern aufgrund der Gewährung von Blindenhilfe an ihr blindes Kind eine Beitragsbefreiung bekommen. Eine das Landesblindengeld ergänzende Blindenhilfe ist bei mit im Haushalt wohnenden blinden minderjährigen Kindern allerdings nur in den Ländern Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen möglich (in den anderen Bundesländern besteht keine zu ergänzende Lücke). Die hier angesprochene Möglichkeit der Beitragsbefreiung beschränkt sich also auf die genannten Bundesländer.

 

Davon zu unterscheiden ist nun folgendes: In § 4 Abs. 1 Nr. 7 RFBeitStV wurde die Regelung aus § 6 Abs. 1 Nr. 9 RGebStV wörtlich übernommen. Es geht dort um Empfänger von Pflegeleistungen. Dort nicht genannt sind Personen, die Leistungen von der Pflegeversicherung bekommen, was konsequent ist, weil die Pflegeversicherung ihre Leistungen unabhängig von Einkommen und Vermögen gewährt. Genannt werden vielmehr Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII und von entsprechenden (ebenfalls einkommens- und vermögensabhängigen) Leistungen der Kriegsopferfürsorge. Dann aber erscheinen unter dieser Nummer auch: "Empfänger von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften". Solche Landespflegegeldgesetze gibt es in Berlin (für Blinde, hochgradig Sehbehinderte und Gehörlose), in Brandenburg (für Blinde, Gehörlose und bestimmte Körperbehinderte), in Bremen (für Blinde, hochgradig Sehbehinderte und bestimmte Körperbehinderte) und in Rheinland-Pfalz (für bestimmte Körperbehinderte). Diese Pflegegelder werden - hat man das übersehen? - unabhängig von Einkommen und Vermögen gewährt. Dass der bisherige RGebStV sie nannte, hatte offenbar die Funktion, den betroffenen Behinderten, die zumeist schon aufgrund des Merkzeichens RF von der Gebühr befreit gewesen wären - die aber aus irgendwelchen Gründen keinen (passenden) Ausweis hatten, die Beweisführung zu erleichtern. Im neuen RFBeitStV führt die Regelung jedoch zu einer willkürlichen Grenzziehung für den beitragsbefreiten Personenkreis. Der DBSV hat in seiner Stellungnahme vom 5.10.2010 auf diese Folge hingewiesen. Von "Übersehen" kann also eigentlich nicht die Rede sein.

 

9. Empfänger von Arbeitslosengeld II und anderer Leistungen zum Lebensunterhalt; Härtefallregelung: 

 

Zu den einkommensabhängigen Leistungen, die zur Inanspruchnahme der Gebühren- bzw. der Beitragsbefreiung berechtigen, gehört nach wie vor auch das Arbeitslosengeld II ("Hartz IV"). In Nr. 3 des § 4 Abs. 1 RFBeitStV heißt es aber jetzt leicht abgewandelt: "3. Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II einschließlich von Leistungen nach § 22 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches, soweit nicht Zuschläge nach dessen § 24 gewährt werden, die die Höhe des Rundfunkbeitrags übersteigen." Das bedeutet: Voraussetzung für die Beitragsbefreiung ist der Bezug von Arbeitslosengeld II (für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen) oder von Sozialgeld nach § 28 SGB II (für nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben), wobei zusätzlich Leistungen nach § 22 SGB II (für Unterkunft und Heizung) in Anspruch genommen werden müssen (denn dadurch erhöht sich die individuell bemessene Einkommensgrenze). Andererseits bewirkt der Bezug des befristeten Zuschlags nach § 24 SGB XII (in den ersten zwei Jahren des Bezugs von AloG II)  eine Verrechnung mit der Beitragsbefreiung (nach dem alten Gebührenrecht verhinderte er die Gebührenbefreiung). Gewissermaßen reziprok zu dieser Verrechnungsregelung gibt es in § 4 Abs. 6 RFBeitStV eine Härtefallregelung mit folgendem Wortlaut:

 

"Unbeschadet der Beitragsbefreiung nach Absatz 1 hat die Landesrundfunkanstalt in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien. Ein Härtefall liegt insbesondere vor, wenn eine Sozialleistung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 10 in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten."

 

In diesem Sonderfall wird diesmal also zu Gunsten des Betroffenen eine Verrechnung vorgenommen.

 

Anmerkung: Von der Härtefallklausel im ersten Satz des obigen Zitats sollte man nicht zu viel erwarten. Sollte z. B. ein Taubblinder kein Empfangsgerät besitzen, aber mit einer sehenden Haushaltshilfe zusammenwohnen, so ist von dieser Person der volle Rundfunkbeitrag zu zahlen. Man könnte nun geneigt sein, diese Konstellation als "Härtefall" geltend zu machen. Die Erfolgschancen schätze ich aber nicht sehr hoch ein, weil die Härtefallklausel in erster Linie die wirtschaftliche Bedürftigkeit ins Auge fasst.

 

Auf die anderen zur Beitragsbefreiung führenden Leistungen zum Lebensunterhalt (u.a. Grundsicherung in Alter und bei Erwerbsminderung, Leistungen der Kriegsopferfürsorge, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz) brauche ich hier nicht einzugehen. Eigens zu erwähnen sind jedoch die in Nr. 5 genannten Leistungen für Personen, die BAFöG, Berufsausbildungsbeihilfe nach §§ 99, 100 Nr. 3 SGB III oder Ausbildungsgeld nach §§ 104 ff. SGB III erhalten. Hier ist die Beitragsbefreiung zusätzlich an die Voraussetzung geknüpft, dass der Betreffende nicht bei den Eltern wohnt. Dies hat dann folgende Konsequenz: Lebt zum Beispiel ein Blindenhilfeempfänger (oder Empfänger von Landespflegegeld) allein mit seiner Frau zusammen, so ist kein Rundfunkbeitrag zu zahlen, auch der getrennt lebende Sohn, der BAFöG bezieht, ist beitragsbefreit. Zieht aber der Sohn zu seinen Eltern, so ist für deren Wohnung nunmehr der volle Beitrag zu zahlen.


10. Der nicht private Bereich; Vereine:

 

Als "nicht private Bereiche" werden "Betriebsstätten" von natürlichen oder juristischen Personen und die von ihnen gewerblich genutzten Kraftfahrzeuge zusammengefasst. Auch hier kommt es in Zukunft nicht mehr darauf an, wo wie viele Empfangsgeräte bereit stehen, sondern im Wesentlichen darauf, wer die Räume nutzt bzw. in wessen Namen sie genutzt werden. Der Begriff "Betriebsstätte" wird in § 6 Abs. 1 RFBeitStV definiert als "jede zu einem eigenständigen, nicht ausschließlich privaten Zweck bestimmte oder genutzte Raumeinheit oder Fläche innerhalb einer Raumeinheit. Dabei gelten mehrere Raumeinheiten auf einem Grundstück oder auf zusammenhängenden Grundstücken, die demselben Inhaber zuzurechnen sind, als eine Betriebsstätte. Auf den Umfang der Nutzung zu den jeweiligen privaten Zwecken sowie auf eine Gewinnerzielungsabsicht oder eine steuerliche Veranlagung des Beitragsschuldners kommt es nicht an." Allerdings ist gemäß § 5 Abs. 5 RFBeitStV  kein Rundfunkbeitrag zu entrichten "für Betriebsstätten, 1. die gottesdienstlichen Zwecken gewidmet sind, 2. in denen kein Arbeitsplatz eingerichtet ist oder 3. die sich innerhalb einer beitragspflichtigen Wohnung befinden, für die bereits ein Rundfunkbeitrag entrichtet wird."  Die beiden zuletzt genannten Fälle liegen zum Beispiel vor, wenn ein Verein neben einem Lagerraum mit Broschüren über keine weiteren Räume verfügt und die Vereinsarbeit in der Privatwohnung des Vorsitzenden stattfindet, für die dieser schon als privater Wohnungsinhaber einen Beitrag zahlt.

 

Abgesehen von den vorstehend genannten Ausnahmen muss für jede Betriebsstätte ein Rundfunkbeitrag gezahlt werden und zwar gemäß einer in § 5 Abs. 1 Satz 2 RFBeitStV geregelten Staffelung. Diese Staffelung beginnt bei Betriebsstätten "mit keinem oder bis acht Beschäftigen" bei einem Drittelbeitrag, die nächsten Stufen sind  Betriebsstätten "mit neun bis 19 Beschäftigten" = 1 Rundfunkbeitrag, und Betriebsstätten "mit 20 bis 49 Beschäftigten" = 2 Rundfunkbeiträgen. So geht es fort bis zur zehnten und letzten Stufe mit "20.000 oder mehr Beschäftigten" = 180 Rundfunkbeiträge. Wichtig ist nun aber der § 5 Abs. 3 RFBeitStV, wonach unter anderem gemäß Nr. 1 bei gemeinnützigen Einrichtungen für behinderte Menschen (und für andere dort genannte Gruppen) und gemäß Nr. 4 von allen eingetragenen gemeinnützigen Vereinen und Stiftungen pro Betriebsstätte "höchstens ein Rundfunkbeitrag zu entrichten ist". Weiter heißt es: "Damit ist auch die Betragspflicht für auf die Einrichtung zugelassene Fahrzeuge abgegolten." (Das erste pro Betriebsstätte genutzte Fahrzeug wäre nach § 5 Abs. 2 Satz 2 RFBeitStV sowieso beitragsfrei.) Fazit: Ein kleiner Verein, der in Privatwohnungen arbeitet, braucht keinen Beitrag zu zahlen. Ein kleiner Verein mit bis zu 8 Beschäftigten in einer Betriebsstätte hat einen Drittelbeitrag zu zahlen. Alle anderen gemeinnützigen Vereine zahlen 1 Beitrag pro Betriebsstätte.

 

Wie sieht es aber aus bei Wohnheimen in gemeinnütziger Trägerschaft? Hier ist wichtig die Abgrenzung zwischen dem privatem und dem nicht privaten Bereich, wozu es in § 3 Abs. 2 RFBeitStV  u. a. heißt: "Nicht als Wohnung gelten Raumeinheiten in folgenden Betriebsstätten: ... 2. Rauminhalten, die nicht der dauerhaften heim- oder anstaltsmäßigen Unterbringung dienen, insbesondere in Behinderten- und Pflegeheimen, ... 5. Raumeinheiten, die der vorübergehenden Unterbringung in Beherbergungsstätten dienen, insbesondere Hotel- und Gästezimmer, Ferienwohnungen, Unterkünfte in Seminar- und Schulungszentren." Das bedeutet im Umkehrschluss: Bei einem Altenheim mit dauerhafter Unterbringung gelten die betreffenden Wohnungen als privater Bereich und die dafür geltenden Beitragsregeln. Sonst aber gelten die Regelungen für den nicht privaten Bereich und es ist abzustellen auf Zahl der Betriebsstätten und dort jeweils auf die Zahl der Beschäftigten.   

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

gez. Thomas Drerup